02 Der androgyne Mann

02 Der androgyne Mann

Kapitel 2

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Wir sind im Inneren unseres Daseins angekommen
und gehen neugierig auf die Suche nach unseren Möglichkeiten.

Wir schauen ohne moralische, voreingenommene und meinungsbehaftete Filter und, vielleicht am schwierigsten, ohne die Vorstellung von gut und schlecht. Wir haben sozusagen ein liebevolles Auge entwickelt, genauso wie wir auch ein böses Auge haben können. Alles im Inneren ist zur selben Zeit gleichermaßen gut und schlecht. Wir betrachten die Welt mehr aus dem Blickwinkel: Es ist so, wie es ist. Wir lassen uns überraschen. So wie das Wetter, Regen und Sonne, sowohl gut als auch schlecht sein können, gerade wie es uns in den Kram passt. Wir Menschen denken ständig in Gegensätzlichkeiten: Entweder - oder, positiv versus negativ, möchten immer eine Wahl treffen: Bin ich dafür oder dagegen? Die Natur hingegen hat keine Meinung. Es gibt nur den jetzigen Moment. Alles ist gut so, wie es ist.

In der persischen Mythologie gibt es die Götter Ahura Mazda (gut) und Ahriman (böse, schlecht). Beide sind nicht nur gegensätzliche Prinzipien, sondern Zwillinge in der Schöpfung, d.h. zwei Seiten derselben Medaille. Ein Aspekt des Zorastrianismus ist, dass es im Kern die Dualität gibt, oder, machohaft ausgedrückt, den Kampf. Es ist die Unterscheidung zwischen “Wahrheit, Ordnung, Sein und Existenz” versus “Lüge, Chaos, Zerstörung des Seins”.

Mit anderen Worten: Ahura Mazda ist die Eros-Energie Lebenstrieb Todestrieb und Ahriman die
Thanatos-Energie, wobei unser innerer Freund Mithras immer die richtige Entscheidung trifft, uns mit der Wahrheit konfrontiert, damit wir an unser eigenes, inneres Licht kommen. Er fungiert sozusagen als mein reines Gewissen.

„Im Grunde genommen kann der Mensch eben nur sich selbst lieben; liebt er ein Objekt, so nimmt er es in sein Ich auf […] Solches Anwachsen, solche Einbeziehung des geliebten Objektes in das Ich, nannte ich Introjektion.“ – Ferenczi (1911)  

Ich, der Autor, sehe auch eine Religion, wie die im Vatikan praktizierte, durchaus als ein Objekt an.

„[…] das purifizierte Lust-Ich bildet sich durch Introjektion von allem, was eine Lustquelle darstellt, und durch Projektion von allem nach außen, was Gelegenheit zur Unlust gibt.“ Freud : Triebe und Triebschicksale, 1915.

Mithras lehrt und zeigt uns als Vater, wie wir uns selbst ein guter Vater werden. Solange wir selbst noch lernende Kinder und nicht ins Licht gekommen sind, brauchen wir seine Hilfe.

Vater der Schöpfung ( wie: zwei Seiten einer Medaille, zweiseitiger Spiegel, Leben-Tod ) des Guten und des Bösen ist Zurvan, der das Prinzip von Zeit und Raum verkörpert. Unendliche Zeit in der Zukunft und in der Vergangenheit bedeutet, dass Zurvan jetzt und immer anwesend ist. Jetzt, im Augenblick zu leben, heißt in Ewigkeit leben. Man könnte auch sagen: Er, Zurvan, der Vater, der Padre im perfekten Makrokosmos verkörpert das Ziel unserer Mikro-Mithras Lichtreise. Wenn wir selbst in unserem Mikrokosmos im Licht angekommen sind, stehen wir auch in Beziehung mit dem Licht des Makrokosmos. Denn wie unten, so oben.

Mikro-Makro ist der Kern dieses kleinen Buches mit dem wir unsere Mikro-Mithrasreise machen. Unser Eros im Fluss der Zeit wird unsere Zukunft sein und Thanatos teilweise unsere Vergangenheit. Denn es ist nicht alles schlecht, was uns während unserer Reise widerfahren ist. Die neue Reise findet statt im “Mithräum”, dies ist gleichzusetzen mit dem Raum unseres Körpers.
Beim innerlich suchenden Mann ist es wichtig, dass kein fremder Gott, keine Erziehung und nichts von dem, was wir glauben zu wissen, in uns anwesend ist. Denn wir gestalten und formen uns selbst ins Licht, ohne Anwesenheit des Schattens. Bei Mithras sind wir, wenn wir das Licht erreichen, als Mann ein zweites Mal eine Tabula Rasa.

Beim ersten Mal waren wir dies bei der Geburt, sowohl im Bezug auf den Körper wie auch in der Psyche. Die sieben Stufen der Initiation bei Mithras bieten uns eine neue Möglichkeit der Wiedergeburt der Psyche. Die Möglichkeit, erneut ein unbeschriebenes Blatt zu werden, auf dem wir unseren weiteren Lebensweg neu niederschreiben können. Wir werden Ahriman, unseren dankbaren Schatten, mit unseren Cautes und Cautopates - Fackeln beleuchten, sodass unsere psychische Wiedergeburt als Myste stattfinden kann. Wir vereinigen wieder aktiv die zwei Aspekte in uns, Samen und Ei, damit das Verlangen der psychischen Ur-Einheit in unserem Bewusstsein Gestalt annehmen kann. Myste bedeutet: From Old English mist (“mist; darkness; dimness (of eyesight)”); see myst for more information. So wie auch: initiate.( Englisch-German Dictionary. Dict.cc). Also Teilnehmer der Mithras Initiationen.

Androgynie im Bewusstsein ist dann vorhanden, wenn innerlich die psychische esoterische Zweigeschlechtlichkeit anwesend ist. So wie das männliche und weibliche Prinzip wie Zwillinge zusammenarbeiten und sich austauschen, um ans Ziel zu kommen. Wieder Mensch zu werden, sozusagen nach Hause zu kommen. Daheim. Vergleichbar mit einem Ochsenkarren, den zwei Ochsen gleichberechtigt ziehen. In dieser Analogie sind wir der Karren, der “ich bin der ich bin”. Ich führe meine zwei Ochsen, wie wir es in der Meditation kennen. Die zwei Ochsen sind unser männlich-weibliches Richtungspaar und sollten idealerweise den gleichen Level an Energie haben, sodass wir tatsächlich einer Richtung folgen und nicht wie verrückt mit der Peitsche auf die Ochsen eindreschen und sie mal nach links und mal nach rechts treiben, ohne einer wirklichen inneren Führung zu folgen.

Bei Machomännern ist überwiegend nur ein Teil der androgynen Psyche aktiv. Dieser Teil wird benutzt, um das Machosein zu bewahren und die weiblichen Anteile zu unterdrücken. Es ist dann keine oder wenig Eros-Energie vorhanden um zu genießen. Nur Thanatos ist als Macht anwesend. Dies bedeutet meistens: Voller Wut zu leben und zu herrschen so wie : ich bin der Boss, alle anderen sind Schuld. Um beim Bild des Ochsenkarrens zu bleiben: Der zweispännige Karren wird nur von einem Ochsen gezogen und dreht sich dann logischerweise im Kreis, gräbt sich immer tiefer und tiefer in den Boden hinein. Es findet keine wirkliche Entwicklung statt. Man steckt fest. Und ertrinkt im eigenen Brunnen.

Ochse ist im indischen gleichbedeutend mit Stier. Man hat den Stier kastriert (so wie bei Attis, wie wir später lesen werden), so dass der Stier gegenüber dem weiblichen Rind eine größere Arbeitskraft aufbringen konnte, somit dem Menschen größeren Nutzen brachte und sie besser zusammen arbeiten konnten. Man hat also seine Eros-Energie, gleich bedeutend mit Lebenskraft, vermindert und gleichzeitig die sexuelle Potenz reduziert. Der Stier ist vom Urtier zu einem manipulierten Objekt mutiert.

In der persischen Mythologie lebte das Menschenpaar in einem Körper. Hell und Dunkel, weiß und schwarz waren Zwillinge. Dann folgte die Trennung in Mann und Frau und im Mithras Kult kann der Mann in seiner Psyche wieder zu einem ganzen Menschen werden, inklusive seines noch zu erschließenden weiblichen Geheimnisses.

Yin und Yang, polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien. Das schwarze, irdische, weibliche Yin, und das weiße, himmlische, männliche Yang. (Bemerke, dass hier das weibliche als Erstes genannt wird!)

In altgriechischen Schriften findet man den Begriff der Vereinigung der Merkmale von “andros” (Mann) und “gyn” (Frau). Es wird im allgemeinen exoterisch als Hermaphrodismus, Hermaphrodi-tus, -tos gedeutet, als das Vorhandensein beider, meist primärer Geschlechtsmerkmale. Als Mann bekam Hermaphroditos von. Salmakis seine Eros-Energie durch das Wasser, ähnlich einer Taufe, übertragen und wurde dadurch, auch innerlich, ein zweigeschlechtliches Wesen.

“Auf seinem Weg von seiner Heimat, wo er am Berg Ida in Phrygien aufgewachsen ist, nach Halikarnassos in Karien trifft Hermaphroditos auf Salmakis.“

Berge, mit ihren Sonnen- und Schattenseiten sind in diesem Buch ein wichtiges Thema, so wie auch die esoterische Androgynität nur mit Sonnen- und Schattenseite gespürt und dann gelebt werden möchte. (Genauso wie für mich die Mona Lisa so wie auch zB. David Bowie einen eindeutig androgynen Ausdruck haben).

Die biologische Zuordnung zu einem Geschlecht erfolgt anhand der primären Geschlechtsmerkmale die uns zeigen, dass jemand (ganz oder teilweise) Mann oder Frau ist. Was wir hier jedoch suchen ist die esoterische Betrachtung, den inneren Zwilling der Mann-Weiblichkeit, der im Inneren immer vorhanden ist. Diesen kann man nicht vernichten, wohl aber unterdrücken. Mithras gibt uns den Code an die Hand, wie wir die innere Weiblichkeit erwecken und ihr aktiv als Bräutigam in der heiligen Vereinigung begegnen können, um die innere Hochzeit, Hieros Gamos, zu feiern.

Der Vorhang, die Voile des verschleierte Geheimnisses findet sich zum Beispiel in Ostia im schwarz-weißen Mosaikboden verlegt - Mitreo di Felicissimus - und es sieht auf den ersten Blick aus wie eine Soldaten-Initiation. Doch das ist nur der Schein, denn hinter dem Vorhang ist es doch anders als erwartet. Jeder Mann, jeder Einwanderer konnte mitmachen. Es ist nur logisch, dass auch die Soldaten, die unter einem strengen Regime standen, auch ihre geistige Freiheit gesucht haben. Ein neuer Anfang und die Geburt in weitere Leben wurde ihnen dadurch ermöglicht.

Für uns Männer ist es so, dass wir aus einem uns fremden Körper, dem der Frau geboren werden. Frauen werden durch Frauen geboren, aber wir werden aus dem Garten Eden “vertrieben”. Wir landen also in unserer Wüste und wünschen uns, wieder nach Hause zu kommen. Mithras, der Freund, zeigt uns den Weg in die göttinnliche Weiblichkeit in diesem biologischen Leben. Aber die innere Weiblichkeit hat keine biologischen Merkmale, es ist etwas Urweibliches, Jungfräuliches, was ich als Mann nicht beschreiben kann. So suche ich als Mann nach Definitionen und Wörtern, die dem nahe kommen: Ruhe, Zusammensein, Vertrauen, Erde, Miteinander teilen, Kraft, Leben und Tod als natürliche Ereignisse, die vier Elemente und vieles mehr. Bedeutet dies, dass ich all das in mich aufnehmen und mir dessen bewußt werden sollte? Ja! Genau das bedeutet es.

Am Anfang, beim Verlassen der heiligen Urmuttergrotte, Mama, die Mutter und esoterisch androgyn noch Jungfrau, wird der männliche Körper also schon als Mann definiert. Hinzu kommt, dass er bereits als Baby einer Religion angehört und ihren Worten lauscht. Doch selbst ohne Religion sind Mama, Papa und andere dabei, wie der Vatikan das Baby “in Liebe” zu programmieren.

Innerlich jedoch sind der männliche wie der weibliche Aspekt immer anwesend, der weibliche dabei mehr im Verborgenen, wie der Yin. Der junge Mann lernt vom leiblichen Vater, der Gruppe und durch die Religion, wie er sich zu benehmen hat. Seine Mutter hingegen bringt Verwirrung, da sie kein Mann ist.

Erst später kann der Mann die Verantwortung für sich selbst übernehmen und die Entdeckungsreise hin zu seinem verborgenen Ich starten. “Wer bin ich” taucht dann als Frage auf und Mithras zeigt die Möglichkeiten auf, sich selbst zu (unter)suchen. Dazu braucht der Myste Männer mit Erfahrung, denn nur ein erfahrener Mann kennt den Weg. Der junge Mann wird also vom Padre im Miträum begleitet, wobei dieser nicht sagt: Du sollst, du musst, glaube mir. Er stellt vielmehr sein Wissen zu Verfügung und lässt den Adepten die Freiheit, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. (So wie Sokrates es meint.) Bei der zweiten Initiation lädt der Padre, der Vater, den Myste ein, hinter den Schleier, die Voile zu schauen und damit seine Zuschauerposition zu verlassen. Nicht mehr und nicht weniger. Jeder Teilnehmer kann somit seine psychische Geburts-Identität erfahren. Dabei geht es nicht um die männlichen und weiblichen Körperfunktionen.

„Unter‚ geschlechtlicher Identität‘ versteht man das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, das mit dem Geschlecht, das der betroffene Mensch bei seiner Geburt hatte, übereinstimmt oder nicht übereinstimmt; dies schließt die Wahrnehmung des eigenen Körpers (darunter auch die freiwillige Veränderung des äußeren körperlichen Erscheinungsbildes oder der Funktionen des Körpers durch medizinische, chirurgische oder andere Eingriffe) sowie andere Ausdrucksformen des Geschlechts, z.B. durch Kleidung, Sprache und Verhaltensweisen, ein.“ – Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Als Autor meine ich, dass Folgendes dazu gehört : auch die freiwillige Veränderung des persönlichen Geistes, der moralischen Anschauungen, der Psyche wie auch der seelischen Aspekte des inneren Bräutigams /der inneren Braut für die Vermählung im Inneren.

Ich bin der Meinung, dass zu Anfang alle Menschen ein androgynes Geschlecht (Mann und Frau) haben und erst später und manchmal nur teilweise, Mann bzw. Frau werden. Da gibt es diesen Moment, wo Eizelle und Samen zusammen kommen und erst danach entscheidet sich im Laufe der weiteren Entwicklung, ob der Fötus auf biologischer Ebene, ganz oder teilweise, männlich oder weiblich sein wird. Dieser Moment der Befruchtung ist wie das ideale Yin-Yang Symbol. Yin ist schwarzweiblich ruhend, Yang ist weißmännlich beweglich, dynamisch.

Analog dazu: die Eizelle ruht und die Samen bewegen sich.

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 Yin-Yang : ich bin Androgyn. | Der Macho-Mann: Aut Caesar, aut nihil.

Der Macho Mann ist wie die Spitze des Eisberges, denn 85 Prozent seiner Weiblichkeit befindet sich unter Wasser.

Machomänner haben mehr weiß im Kreis, so dass das Schwarz fast ausradiert ist. Glücklicherweise erscheint dies nur oberflächlich so, denn in Wirklichkeit hat sich das Weiß nur schamhaft zurückgezogen, sozusagen unsichtbar gemacht. Bei dem monotheistischen Gottesbild des Vatikan ist Gott weiß und von Maria wird das Schwarze benutzt.

Die Psyche jedoch bleibt immer androgyn empfänglich. Erziehung und weitere Anpassungen entscheiden darüber, was sich alles in der Psyche und im Körper wie anordnet. Dabei geschehen Veränderungen des Körpers nur in der Zukunft und mit Attis Messer, während Veränderungen in der Psyche sowohl vorwärts, durch Anpassung, als auch rückwärts, durch Bewusstsein (oder wie bei Mithras durch das
hingelegte Schwert symbolisiert), möglich sind.

„Yin und Yang sind Begriffe, mit denen eine gegensätzliche Beziehung zwischen zwei oder mehr Dingen ausgedrückt wird.“ W: Roger T.Ames. Yin und Yang.

„Das Urprinzip bewegt sich und erzeugt Yang. Wenn die Bewegung ihr Ende erreicht, so wird sie still, und diese Stille erzeugt Yin. Wenn diese Stille ihr Ende erreicht, dann geht sie wieder in Bewegung über. So haben wir abwechselnd bald Bewegung, bald Ruhe. Sie beide bilden zusammen die Basis, von der aus durch Abtrennung Yin und Yang entstehen und auf der die beiden Modi ruhen.“  – ALFRED FORKE[6] Yin und Yang

Wir können uns das Ganze auch auf andere Weise veranschaulichen, indem wir das Prinzip der kommunizierenden Röhren benutzen.

Als kommunizierende Röhren bezeichnet man Röhren, die zwei oder mehr offene Gefäße miteinander verbinden. Wenn die Schwerkraft sowie der Luftdruck konstant sind, ergibt sich in beiden Gefäßen die gleiche Höhe des Inhaltes. Dabei ist wichtig, dass es eine offene Luftzufuhr gibt. Übertragen auf den Körper bedeutet dies, wir brauchen den Atem um diese Wechselwirkung zu erzielen. Heftiges Ein- und Ausatmen bedeutet, dass viel Luft zirkuliert. Viel Luft bedeutet für den Körper, dass der Eros, die Lebensenergie stärker präsent ist und angefacht wird. Flache Atmung bedeutet weniger Luft und damit gleichzeitig, dass weniger Lebensenergie vorhanden ist, bis irgendwann kein Atem und damit keine Lebensenergie mehr fließt. Die Lebensenergie schwindet immer mehr und nach dem letzen Atem-Ausstoß übernimmt Thanatos endgültig die Regie.

Wir werden sehen, dass diese innere Röhre in Wahrheit im Körper zu einer einzigen Röhre komprimiert ist (Sushumna) und im Mithras-Kult schon bei der Einweihung ersten Grades in Form der inneren Leiter präsent ist.

Betrachtet man die Gefäße, welche die kommunizierenden Röhren miteinander verbinden als jeweils männliche und weibliche Energie, so wird noch deutlicher, warum der Atem / die Luft so wichtig ist, damit beide mit gleich viel Energie, sprich Inhalt gefüllt sind. Innerlich braucht man frische Luft, um androgyn zu werden. Äußerlich bedarf es eines Attis-Messers um biologisch sichtbar Hermaphrodite zu
werden.

Es ist klar, dass dies nur ein bildliches Symbol ist und ein innerlich androgyner Mann kein äußerlich sichtbarer Hermaphrodite ist.

Man brauchte aber für die Masse das klare Bild(erbuch) der Entfernung des männlichen Gliedes bei Attis, um zu verdeutlichen, worum es ging. Es gibt viele Darstellungen, bei denen man sowohl die männlichen wie die weiblichen Geschlechtsmerkmale sieht. Im Allgemeinen wird dies als die geschlechtliche Identität des Hermaphroditen gedeutet, wobei eigentlich die innere Potenz durch die Verschmelzung weiblicher UND männlicher Kräfte gemeint ist. Bei Zurvan sieht man, dass die männlichen Geschlechtsmerkmale nicht zu erkennen sind und dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die inneren Prinzipien gemeint sind und nicht die äußeren Merkmale. Siehe auch Yoni und Lingam.

Wie schon gesagt: Man muss schon sehr motiviert sein, um sein androgynes Innenleben erforschen zu wollen.

Daher kann der Myste die innere Leiter nie nur mit dem Körper alleine besteigen. Er braucht dazu immer auch das Gefühl für den Inhalt der Gefäße.

Brahma, (einer der Hauptgötter in Hinduismus), konnte seine Schöpfung nicht weiter gestalten, weil seine Geschöpfe sich nicht vermehrten. Er bat Shiva um Hilfe, und dieser erschien in seiner halb männlichen, halb weiblichen Form.”

Wenn ein Mann sein inneres Paradies anschaut, hat er das Verlangen ins Paradies, in den Garten Eden zurückzukehren. Dieses Paradies ist derselbe androgyne körperliche Zustand der herrscht, nachdem Ei und Samenzelle fruchtbar zusammen gekommen sind. Dann wird der Körper selbst zum Garten Eden, da wo die Urfrau und der Urmann wie Jungfrau und Jungmann leben. Der Mann zuerst vor der Geburt im Körper der Frau und dann bei der Geburt, (so wie innen so wie aussen), um später im Laufe der Mann-Werdung oft in eigener Wüste zu verkümmern.

Deshalb ist das Grundthema aller Religionen die Wiedergeburt. Mensch-Werdung ist das Thema. Mensch sein heißt Frau und Mann in einem sein.

Der Mithras-Kult ist keine Religion. Übertragen auf unser heutiges Zeitalter ist es ein Leitfaden zur inneren psychischen Veränderung. Somit kann der männliche Dogmatismus, der der Frau die immerwährende Schuld an der Trennung gibt und wo Mann und Frau auf ewig isoliert bleiben, beide leiden und nur einer die Macht / das Geld hat, endlich aufgelöst werden.

© Luc Kusters 

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